Im Laufe der Zeit entwickelte ich meine eigene Handschrift, zumal ich noch immer mit der Hand schreibe und die Kalligraphie liebe. Wie die Hand mit dem Pinsel oder der Feder über das Weiß des Papiers huscht, so erinnert diese Tätigkeit an den Tanz Salomons im Tempel oder sie erinnert an einen Herabgestiegenen (Krischna - Avatār) - an die unmittelbare religiöse wie poetische Beziehung des tanzenden Leibes zur Gottheit.
Wir tanzen nicht mehr oder eben nur noch im Rahmen der Vergnügungsindustrie und der Avatār ist ein Spiegelfechter im Cyberspace geworden. Macht nichts! Wir müssen alles subversiv unterlaufen, was uns unterjocht und entfremdet, und auch wirklich alles so lange wenden, bis jede Form von privateigentümlicher Dummheit überwunden worden ist.
Das Zeichen und das Zeichnen drückt sofort und direkt die Idee aus. Von der Idee zur Bildgestalt führt der direkte Weg des Künstlers in allen Formen, ob nun in der Architektur, Plastik, Malerei oder Musik. Entscheidend ist der Rhythmus, denn nur er allein verbindet das primäre Zeichen mit der symbolischen Form. Nun hat jeder Einzelne seinen ihm eigenen Rhythmus, seinen nur ihm eigenen Bewegungsimpuls, dem er Gestalt verleihen soll.
Der symbolische Tausch, der die Opferhandlung der Vergangenheit überantwortet, muss demokratischer Natur sein, das heißt, dass nicht der Warentausch auf dem Markte das Wesentliche ist, also die nekrophile Ökonomie, sondern der Austausch zwischen Geist und Materie. Der Geist hat über die Materie keine Suprematie. Geist und Materie sind gleichwertig.
Das Materiale, auch im Sinne einer cultura materiale, ist für jeden Künstler die prima philosophia. So entdeckt der Künstler im Vorbeigehen, wie zufällig, die schlummernde Gestalt in einem Stein, die Dramatik von Form und Farbe in einem Abendhimmel oder die Leichtigkeit des Seins in einem Morgenlicht.
In der asiatischen Kunstauffassung tritt das zu Gestaltende aus dem Dunklen ins Licht –
wie ein Lotus im reinen Weiß über einem Morastgrund sich öffnet.
Das Zeichen ist schon das Besondere, wie eben jeder seinen Namen trägt – so ist er auch gezeichnet, er muss dies nur subversiv umkehren um gut zu zeichnen. Freilich ist es notwendig, sich den Gegenstand mit großer Kenntnis einzuverleiben. Was nicht integriert werden kann, gehört der Dunkelheit an.
Ich nenne diese Entwicklung meines Stils – vom Zeichen zum Symbol – Suprematismus. Das Supreme, also das Überragende, soll sich mit dem politisch Hegemonialen verbinden. Insofern ist alle Kunst immer politisch.
Das Supreme nennt Kant das Erhabene. Und nur dort, wo der Künstler die Erhebung (das Tektonische im Sinn von Semper) zu spüren vermag, kann die Bildung der Idee, die Gestaltwerdung, beginnen.
Das Materiale, dem schon Geist innewohnt, vermittelt sich über die Sinne. Vom sinnlichen Empfinden bis zum Begreifen und zur Anschauung eines Gegenstandes verläuft die Dialektik der Erkenntnis. Jenseits dieser Erfahrenheit kann es nichts geben: Es ist immer etwas und nie nichts. Das ist die taghelle Mystik des Materialismus.
Freilich gibt es auch das alles nichtende Nichts: da alles Seiende zusammengesetzt ist und keine Eigenexistenz hat, vergeht es – wie Schnee auf einem heißen Brotwecken. (H.C. Artmann)
Es ist dumm und engstirnig, dass man nicht polemisch sein soll und die Polemik nicht als eine Bereicherung der Diskussion begrüßt. Habe ich eine Polemik beendet und wende mich dann wesentlichen Fragen zu, sind die Leute oft beleidigt. Das verstehe ich nicht. Sie glauben, es gäbe eine Arbeitsteilung zwischen Polemik und anderem. Wie primitiv! Sie glauben, man habe kein Recht, positiv und negativ zugleich zu sein.
Ich indes glaube den Begeisterten nicht, die niemals böse werden. Wenn ein Pendel nicht zur einen Seite schwingt, kann es auch nicht zur anderen ausschlagen.
(Asger Jorn)
Immer in der Mitte zu sein, immer genau zwischen Subjekt und Objekt zu stehen, ist unmöglich: ständig schwank man zwischen den Polen hin und her. Die Mitte ist ein gedachtes oder ein vorgestelltes Ideal. Freilich soll man einen höheren Standpunkt einnehmen, von dem aus es möglich wird, nach und nach, alles Gegensätzliche zu integrieren.
Ich versuche, meinen Gestus, also die erste und ursprüngliche sowie spontane Ausdruckskraft ohne Korrektur aufs Papier und auf die Leinwand zu bringen, das erste Zeichen somit – und dieses dann allmählich zur symbolischen Form zu transformieren. Dabei ist gleichgültig, ob nun die resultierende Gestalt abstrakt oder konkret ist.
Die Gestalt der symbolischen Form ist nie eins zu eins realistisch, sondern eben immer meinem Innenleben verpflichtet – im kontrastierenden Verhältnis zur Außenwelt. So ist also immer der Kampf zwischen Innen- und Außenwelt auch mein Kampf.
Sehr viele, allzu viele, mythologisieren ihre eigene Vergangenheit. Das ist eine besondere Form der Lüge. Das Vergangene ist niemals ein Mythologem, im Gegenteilt! Das Vergangene ist nicht vergangen, sondern Geschichte. Und Geschichte soll erzählt werden. Alles Historische besteht aus Narrativen, aus Bild, Wort und Rhythmus.
Alles, was ist, verdankt sich der Gegensätzlichkeit, dem Dual, der Polarität. Wir sind indes verpflichtet, indem wir der Kraft des tertium non datur folgen (durch unsere Eingebung zum Beispiel), jede Dualität in eine Trinität zu verwandeln. Die Zwei ist eine hässliche Zahl, die Drei ist schön.
Der italienische Konditor – er ist Sizilianer und sehr glaubensbefliessen- schenkt mir tagtäglich zu meinem Espresso ein Drittes, denn ich habe schon wieder nur zwei fiorentini bestellt: Die Zwei, sagt Trovatello, bringt Unglück. Und Recht hat er! Ich jedenfalls bilde mir ein, mit drei Keksen im Bauch glücklicher zu sein.