Die Wawi-Basl führt die Leiter auf die Gassen,
sie wird bestimmt auch keinen Luftschnapper vorüberlassen,
bis dieser nicht erstattet den Kurzbericht.
Die Wawi wischt sich mit der Schürz’ übers Gesicht.
Die Herrischen, die wissen nichts von dieser Welt.
Der Nachbar Martin, der weiß wo’s fehlt...
and auch die Lina-Basl versteht das Weißeln gut,
der Nachbar ‘Gang hat wieder a Blümele am Hut.
Und jeder sieht: der Kalk ist nimmer weiß
and »a der Pinsel is a Scheiß...«,
die grüne Farb ist wert: »neama a Laus«,
mir setzen uns and reden uns mal aus.
Es wird bald regnen and es naht schon Mitternacht,
der Vollmond über Wolfsbergs Wälder lacht,
über die fröhlich’ Nachbarn, Mann and Kind,
das Schnapsglas kreist, »dass unsre Tant bald wieder kimmt«.
VOLLMONDNACHT IN WOLFSBERG
Der Mond erweckt den Zauber dieser Nacht,
die Dichterseele schreibt die Worte, eh’es gedacht,
ein Hund bellt heiser im Schatten einer Linde,
der Nebel wird ins Dorf getrieben von dem Winde.
Vor meinem Fenster führt die hohle Gasse bis zum Bach;
auch da und dort ein Licht, die Leute sind noch wach,
der Silberschein des Mondes gibt keine Ruh,
vom Stall ertont das unruhig Gestampf von Pferd und Kuh.
Und jetzt steht unter jenem Fenster die Gestalt
von einem Mann mit Ohren eines Wolfes, und bald
erblicke ich Konturen auf der weißen Wand des Hauses...
ich schließe meine Fenster bebend und mit Grausen.
Es sind zwei Wochen, seit ich ausrief jene Worte:
»Ich dichte nimmermehr!« Ich wusste nicht, dass an dem Orte,
wo Linden duften und der Vollmond küsst die Erde,
ich immer wieder schreiben und dichten werde.
GEWITTER AUF 1000 METERN HÖHE
Es blitzt und donnert in der Ferne schon,
der Wind reißt an den Himbeerankern und dem Samenmohn,
und immer näher kommt die Herde mit dem Geläute,
der Hühnergeier schnappt sich rasch noch eine Beute.
Touristen klopfen an das Gassenfenster schnell,
es stört sie nicht des Hundes warnendes Gebell.
Sie fürchten sich vom Rauschen des finstern Wald,
es gießt der Regen Ströme in den Dorfbach bald.
Die reichen Neubesitzer schließen die Tore fest,
nicht mal die Schwalben bauen sich dort ein Nest.
Die Bauern offnen Scheun’ und Einfahrt weit:
»Kimmt eina, ihr uarmen Städteleit!«
VERSPRECHEN
Wenn die Lerche wieder steigt
aus dem Kornfeld, welches reift,
trillernd ihre süßen Lieder,
komm’ich wieder, meine Heimat,
komm ich wieder.
Und die Lerche sang ganz weit
in dem Kornfeld, das schon reif,
schmetternd ihre Sehnsuchtslieder.
Ich kam wieder, traute Heimat,
ich kam wieder.
Ah, die Lerche singt nicht mehr,
well die Felder kahl und leer.
Doch ich trag in mir die Lieder
und ich komme immer wieder,
immer wieder...
HEIMAT, DEINE WEGE
Heimat war das Elternhaus
mit dem schönen Blumengarten,
wo das ewig Bienesummen s
schläferte den Müden ein;
Moos wuchs zwischen dem Gestein
und es rauschte in dem Brunnen.
Man erzählte sich auch Sagen,
die heut mit dem Haus begraben,
dass an jener Feuerwand
man noch sehe eine Hand
eines Heimkehrers von weit;
Unruhig waren die Nächte der Zeit.
Eigentlich ist alles Sage
was zur Heimat mal gehörte:
Duft des Waldes, der betörte,
Wiesen blumenreich und weit,
Glockenklang zur Vesperzeit,
Plauderstündchen spät am Abend
und der Ernten reiche Gaben.
Heimat, schenk mir noch die Wege
Zwischen Autolärm und Müll,
die ich immer wieder gehe.
Lass mir Denkkraft und Gefühl,
damit einen Mohn ich fände,
den ich dir in Bücherspende
als ein Lesezeichen gäbe;
Lass mich stets gehen deine Wege!
WALDRAIN AM CRIVAIA-SEE
Für Freundin Gerda,
Besitzerin des Ferienhauses in Bolnovat
In den Baumwipfeln bläst kein Wind.
Kein Autohuppen, kein schreiendes Kind.
Auf der Alm dort ein blank-weißer Stein,
Ein Findling der Hohen, vergessen allein.
Johannisblüten, sonnig, am Waldesrand,
gesäht von keiner Menschenhand,
und jetzt ein heftiges Klopfen aufs Brett.
Wer wird hier gerufen und wozu geweckt?
Ein Bellen der Hunde, fern und heiser.
Vielleicht gibt es unten Menschen und Häuser...
Ein Hirte ruft jetzt seine Schafe, ein Pfiff,
der Mann hat seine Herde im Griff.
Dasselbe Bild seit tausend Jahr,
derselbe See; das Wasser dunkel und klar.
Die Zeit wird anders gemessen hier.
Der Raum wirkt unendlich, ohne Feinde und Gier.
DIE FRAU DORT
Meinen Feinden
Schau, die Frau dort spielt nicht Schach
und spricht niemals von Weh und Ach;
Lenkt nicht mal einen Wagen,
versteht nichts von Soll und Haben.
Schau, die Frau dort schreibt nicht auf E-Mail
und ist doch immer in größter Eil’.
Sie sagt »Bratkartoffel« und nicht »Pommes frites«
und tanzt nicht auf Lambada-Hitt.
Ah, die Frau dort regt mich auf;
sie nimmt keine Schwächen der Menschen in Kauf.
Sie urteilt und will keine Fehler vergeben.
Man befurchtet, sie wird noch lange leben.
ODE AN MEIN TEMESWAR
Du bist seit einer Ewigkeit eine befreite Stadt;
von dem Mongolensturm befreit und glücklich nach den Kuruzenstürmen auch zuversichtlich.
Ah, von dem Türkenjoch, vom Herrn von Savoyen so schon befreit,
dass man 10.000 Janitscharen ziehen lies mit Beute und mit Fahnen,
die nicht geneigt. Stolz, wie es sich ziemt Osmanen.
Befreit von all den Sümpfen, modern barock mit Stromzufuhr und Straßenbahn.
Du Westlichste im Osteuropawahn!
Auch von den Österreichern, von den Madjaren warst du befreit,
selbst von dem König; doch auch die Sowjets zogen heim.
Du wurdest niemals kleiner, empfandest keine Pein.
Man sagt, du hast die Diktatur bezwungen
und dass du dir den alten Namen neu errungen.
Du willst »klein Wien« auch weiterbleiben,
selbst wenn an jener Schwelle alter Dome
bald Minaretten laut verkünden und anstatt Renaissance und Jugendstilpalais,
die vielen Türmchen und Balkons in rosé-gelé dich zieren.
Du bist meine befreite Stadt, die stets gewinnt und nimmer wird verlieren!
ICH HÄNG MEINEN HAKEN ANS BRETT
Ich häng meinen Haken ans Brett
der Engeln, womit sie schlittern nett
über die Wolken des Himmelzelt’.
Dann kann ich dichten und träumen,
die Sorgen aus dem Weg mir räumen.
Ich häng den Haken ans morsche Brett,
dass ich aus dem Elterhaus gerettet.
Damals haben die bösen Leute gewettet,
ich würde nimmer ich sein, auch nicht mehr nett.
Ich habe mir wieder eine Behausung gebaut
und spreche noch immer so überlaut.
Na ja, ich habe zwei Häuser der Eltern verloren,
der Sohn zog mittellos in den Westen - war nicht auserkoren,
und doch habe ich Meines getan;
Hab Bäume gepflanzt, ein Kind in die Welt gestellt,
ein Zuhause gebaut, mehr als 5 Bücher geschrieben
und hab um mich geschlagen und mich heisergeschrien.
Ich häng meinen Haken ans Brett.
Es ist nicht mit Siebenbürger Tulpen geschmückt,
die vor dem Frühreif im Mai gepflückt;
es ist nicht bemalt mit hellblauem Enzian
des Montaner Banats, als Mutter mich trug am Arm.
Ist es ein Engelsbrett oder das morsche vom Elternhaus?
Egal. Ich sperre ab und gehe nach Haus!
DAS STIEGENHAUS
(oder: Was, wer, wo eine Heimat?)
Wer braucht hier, wer, was, wo Heimatland?
Man braucht nur ein Stiegenhaus.
Jeder zieht hier, wann immer, ein und aus.
Einzug mit morschem Bett und schuppigem Waschtisch auch.
Ausgezogen wird mit 3 Autos aus - dritter Hand - Gebrauch.
Die Trockenkammer ist eine Loggie
für Liebende, die mal in Spanien, mal hier.
Im Sommer sind zu empfehlen
die Bänke im Park nebenan...
Wem geht wer, was an?
Auf dem Parter wirkt alles leer.
Der Ingenieur soll ein Haus wo haben,
er zahlt aber Steuer und alle Gaben.
Auf der Belle-Etage sitzt die Banaterin,
bei der brodelt’s im Gehirn.
Sie hort die Callas und den Walzerkönig Strauss,
und schaut stets nach Bäumen und Blumen aus.
Man weiß auch, dass sie mehrere Sprachen spricht.
Die Frau muss vor’s Gericht!
Am zweiten Stockwerck ist der Teufel los?
Ah nein, ein Freudenmädchen bedient die Kunden bloß.
Nach Mitternacht, gleich nebenan
schlägt die Roma-Frau den Roma-Mann.
Man weiß nicht, ob auch der Vater die Mutter trifft
Oder die Tochter mischt an dem voodo Gift.
Und ach, am 3. Stock ist der Heimkehrer hier,
er nahm gleich zwei Fremde ins Quartier,
die an dem Motor des Awitos reparieren.
Es wird da noch Vieles passieren.
Der Blick der »blauen Buben« von ganz oben
droht keinem mehr vom unteren Boden.
Jeder lebt nach eigener Fasson,
Wir sind doch Europäer, seit hunderte Jahren schon.
DER NACHBAR GEORG
In welchem Land sitzt dieser Gheorghe jetzt?
fragt meine Tante halb entsetzt.
Du meinst den Gyuri aus der Nebengasse?
Der macht jetzt die Computer-Klasse.
- Der Gyuri? Der hat schon seine Vierzig bald,
ein grüner Ast im Winterwald.
- Ah nein, springt jetzt die Oma ein:
das ist der Georg, er bemalte meinen Schrein
mit Tulpen, Täubchen und ein’ Herz,
ah, er erzählte manchen Scherz.
Mir ist es duselig zumute:
Ich weiß nicht mehr, ob Gheorghe, dieser Gute,
dann plötzlich Gyuri wurde bei seinen Tanten
und jetzt ist er der Georg bei Anverwandten.
- Das ist mal so, ruft Ilusch-Tante aus,
die das Register führt für jedes Haus.
Gheorghe war er nach dem Vater lonesco,
Gyuri nach seiner Mutter Ildiko.
Jetzt will er nach Passau zu seinem Glück
und wählte den Georg wieder zurück,
denn im Matrikel des Herrn Dechant,
ist er als »Georg« doch bekannt.
REQUIEM
Der Februar weint auf allen Gräbern
im Temeswarer Friedhof der Vergessenheit,
die Raben schlafen in den Thuja-Bäumen,
der Engel an dem Eingang gähnt vor Einsamkeit.
Zum Glück die Glocken in der Innenstadt
jetzt lauten. Herr Pfarrer, schon im Kirchgewand,
eilt aus dem Beichtstuhl schneller als gedacht
und alles ist so festlich und mir bekannt.
Der Priester spricht von steinig’ Wegen
für jene Menschen, die in die Ferne ziehn,
doch auch für jene, die aus einer Heimat
hierher vor vielen Jahren gekommen sind.
Der hehre Mann spricht jetzt den Namen
der besten Mutter, die mir wohlbekannt.
Es scheint als ob die Mutter Gottes lächle
und strecke mir entgegen die holde Hand
und es ertönt hoch vom Altare
die Orgel und ein Ave-Maria-Lied.
Ich weine wie in jenen bitt’ren Jahren
und beuge in Ehrfurcht und Erinnerung das Knie.
Wir bleiben Kinder unsrer Eltern ein Leben lang
und sind ein Ball in unsres Schicksals Hand.
Wir Starken, die am Zeitbild untertänig weben...
wie furchten wir die Dunkelheit und steinig’ Wegen!
GEWITTER AUF BANATER HOHN
Grünwald, der Hund, schleicht in die Einfahrt,
die Schwalben verlassen die Nester nicht.
Man hört das Rufen der Hirten ganz nah’,
die Schafe am Berg stehen jetzt dicht.
Jemand zieht die Glocke im Turm,
ihr langes Lauten heißt: »Leit, es gibt Sturm!«
Damen mit Sonnenhut, doch ohne Schirm,
bitten die Wawi urn Patschen und Kirm.
Schwarz sind die Wolken, bedrohlich der Wald.
»Tante, geben’S obacht, jetzt kimmt ter Blitz bald!«
Feuer vom Himmel, Wasser in Strömen,
ein lautes Krachen, dann folgt das Drohnen.
»Sei ma nit traurig, morgen gibt’s Sonn.«
Oben am Felsen erhebt sich der Mond.
Alles blüht wieder, was müde dalag,
Gott feiert mit uns den Marientag.
AN DIE WOLFSBERGER WALDER
Wer hat dich wachsen lassen, du hoher Wald?
Wer hat dein Werden und dein Sterben in Gewalt?
Warum sind deine Pfade die schönsten, die ich sah?
Das Silber deines Bodens, der blaue Himmel sind dir nah.
Dein Rauschen hat schon manchen Künstler tief beglückt:
Der Maler greift zum Pinsel, der Dichter seinen Bleistift zückt
und jeder feiert dich, Iässt sich berauschen,
die Musiker die Semeniker Walzer bei dir lauschen.
Ganz jungen Schrittes begeb’ich mich in die Gemeinde.
Der Heuduft weht entgegen mir von meiner Almweide.
Du streust mir deine Tannenzapfen im Sonnenuntergang,
ich grüß dich immer wieder und steh’ in deinem Bann.